Münze werfen

Ich nenne einen Schatz mein eigen. So ein funkelnd schönes Ding. Hab ihn gefunden in mir drinnen, als ich auf Schatzessuche ging. 

Und hab ihn erst noch übersehen, so unscheinbar kam er daher. Als rostig Teil, ein mattes Etwas, das traurig schien, es selbst zu sein. So abgegriffen und verschlissen, so abgenutzt von harter Hand, die es zulange festgehalten. Es trug ein ängstlich Zittern mit sich, das talerkleine runde Stück.

Ist auf mir schon entlang gerollt mit schmaler Kante, als ich nicht wusste ein und aus. Kam gern aus hinterfinstrer Ecke wohl an die tausend Mal gerannt. War gar so kalt und kratzig rau und Gänsehaut, die lief ihm nach. Wir kennen uns – das hast du flüsternd wiederholt. Du armes Ding, du warst wie ich mich fühlte, manches Mal. 

Und in die Hände fiel es mir, aus einem Loch in meiner Tasche. Taler, Münze was auch immer, alt und hart und kalt, aus Stahl? Unnütz, dachte ich, nur schwer und bleigrau, ohne Wert und ohne Wirkung, und wandte mich dann andrem zu. Schattengleich durch meine Finger sprang es runter und war fort.

Zu andrer Zeit, als ich grad liebte, sah ich ein Funkeln, rein und hell. Ganz unverhofft kam es daher. Ein glänzend lichtgold warmes Schimmern trug die Münze, die ich fand. Mit leichter Hand aus meinen Taschen vorgeholt und neu entdeckt. Aus einer da, ganz nah am Herzen, hatte sie herausgelugt.

Ich konnte noch nicht gleich erkennen, was das Stück mir sagen will. Nur Freude war da ob der Schönheit, Wärme und des Lichts, so nah. Und wie es da so in der Hand lag, erinnert es in Form und Größe an eben jenes andre Teil, das ich verloren gehen ließ. Das mich verließ, wie unbequeme alte Schuhe.

Seltsam mag es da erscheinen, dass das Verschwundene doch fehlte und Bedauern mich beschlich. Das lang Gewohnte, so Vertraute – war es doch ein Teil von mir. Ebenso, wie dieses Lichte, das hell aufstrahlt, immer mal. Das auch Schatten werfen darf ganz ungehindert in die Runde.

Und so warf ich hoch die Münze, um in ihrem Schein zu suchen, was verloren worden war. Blinkend flog sie hoch und strahlte, sich drehend kam sie schnell zurück. Ich fing sie zwischen meinen Händen und fühlte es, das runde Kleinod. Kühl war es.

Seltsam, dachte ich, unmöglich! Eben war es noch so warm. Auch sein Anblick war ein andrer – matt und grau, und bleiern lag es in der Hand. Was zum… ging hier vor? Sah ich doch das schon Vermisste plötzlich wieder vor mir liegen. Und das Glänzende war fort. 

Ratlos schloss ich meine Finger um das rätselhafte Teil. Mochte gar nicht nochmals schauen, grausam den Verlust ansehn. Neugier letztlich hat bewirkt, in die offene Hand zu blicken. Und siehe da, ich konnt‘s kaum glauben, strahlte es mich golden an.

Einmal da und einmal fort und wieder da und wieder fort? Nun sah ich doch genauer hin und hielt das Graue in das Licht. Jetzt begann sein Rand zu strahlen und ein Funken löste sich. Da, ganz plötzlich, war mir klar, die andere Seite zeigte sich!

Wie Yin und Yang, wie Licht und Schatten – beides war an diesem Ding! Hatte es doch auch zwei Seiten, eine immer schön verdeckt. Gar nichts muss ich mehr vermissen! Kann ich nur die eine sehen, weiß ich doch auch um die andere, keine wird mehr von mir gehen.

Und so werf‘ ich gern die Münze, wenn das Leben mir erzählt, dass es matt ist, schwer und grau. Auch wenn sie landet auf der Seite, die genau das widerspiegelt – in der Luft hab ich gesehen, so beim Drehen meines Schatzes, der aus mir heraus entstand: Licht und Funkeln!

Angst und Liebe, beide Seiten, wohnen weiterhin in mir. Nur, irgendwie scheint eine kleiner und irgendwann ist Angst passe. Ist vielleicht nur noch das Ringlein, das die Liebe sorglos trägt. Am kleinen Finger, als umgeschmiedetes Verstehen, dass beides uns zu Menschen macht und beides einfach in uns lebt.

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2018