Weiße Weite, Schneetreiben, böig und fordernd. Hinausgetrieben hat er uns, der zwieträchtige Geist, nach lauten Worten und starken Gesten. Austreiben wollen wir ihn. Wir liefern uns ihm aus, noch etwas widerstrebend, wortlos und gedankenvoll. Doch dann geben wir uns ganz dem Treiben hin. Schneetreiben. Lassen uns gehen, werden zu Schneekönigin und Väterchen Frost. Mit schneeverbrämtem Mantelrand und Eistränen im Bart. Der Nordwind streicht uns gewinnend die Stirnfalten glatt.
In den Schneisen stapfen wir durch Wellen von Schnee, die gegen unsere Beine branden. Lassen uns treiben durch leichte Ebbe und schwere Flut. Alles wird gut, alles kommt und alles geht und kommt wieder und geht auch wieder. Was bleibt im Treiben, ist der feste Untergrund: der Grund, dass ich dich mag durch alle Jahreszeiten.
Treibschnee auf Waldwegen, draußen in der Dämmerung. Nach gefühlter kleiner Ewigkeit leuchten uns die Lichter der nahen Stadt dort unten wieder heim. Ich hätte meinen Weg auch ohne dich gefunden. So, wie du den deinen.
Ein letztes Aufstampfen an der Haustüre: Zerknirscht fallen eisige Krusten von den Stiefelspitzen ab und nasse Spuren nur folgen uns hinein. Der Schlüssel, schnell ins Schloss getrieben, dreht sich fast widerwillig unter deinen klammen Fingern. “Macht hoch die Tür, die Tor’ macht weit, Es kommt der Herr der Herrlichkeit, …” singt es mir durch alle Sinne. Es riecht nach Willkommen daheim. Wärme, Apfelduft und Samtpfote – seid mir gegrüßt! Alle drei haben wir jetzt nasse Nasen, doch der Kater trollt sich wieder, Frostluft ist nicht ganz sein Element.
Das klamme Zeug kommt auf den Ofen, die nasse Wolle riecht nach Schnee. Schnell, zünd die Kerzen an!, so rufst du mir entgegen und nimmst die Plätzchenschale mit ins Bad. Leise hör ich Wasser rauschen und zupf die feuchten Socken ab, mein Hemd klebt mir am Rücken. Ein Nieser witscht noch schnell hervor, ein letzter Fröstler schüttelt sich durch mich hindurch.
Da seh ich dich ins Wasser sinken, warmer Dampf und Fichtennadelduft vermischen sich zur wärmenden Idee. Bleibst du, treibst du – mit mir?, fragt mich dein Blick, und ein Lächeln lädt mich friedvoll ein. Schaumberge umzingeln dich und ziehen mich hinein zu dir ins heiße Nass. Eben noch so kalte Haut schmiegt sich an warme Wannenwand. Und deine Hand langt Schaumschnee schöpfend über mich hinweg. Ich übermale dich mit Bergen voller weißem Nichts, das luftig fluffig auf dir ruht, ein Schneemann wirst du jetzt, mit winterroter Nase. Dankbar krönst du mich zur Schaumgeborenen.
Die Wärme schwemmt uns in die Glieder, es kribbelt sich der Frost hinaus. So treiben wir im heißen Wasser, versinken in der Gegenwelt zu der, aus der wir kamen. Feuchte Finger bieten mir die süßen Happen, noch und noch. Ich küsse dir die Krümel von den Fingerspitzen. Ein Katzenkopf lugt übern Rand und eine Pfote krallt sich fest. Doch unsere nassen Hände, nein, die mag er nicht.
Wellenmuster an den Fingern und Lust auf Wein, der uns sein Glühen schenken wird samt Zimt und Nelken, treiben uns hinaus in Handtuchflausch und Trockenrubbelrausch, ja weiter noch: ins Himmelreich der Gänsefederdecke. Treiben lassen, so hat das Wetter uns gezeigt, gehört zum Winter, ist passend für die Jahreszeit.
So treiben wir, zerfließen zwischen Daunen, weiß wie Schnee, und leicht wie Flocken streichen deine Fingerspitzen durch warme Täler unsrer Zeit. Schmelzen sich verändernd, mäandernd weich dahin. Ein Blick zum Fenster noch, du lauschst: Das nadelfeine Bizzeln der Kristalle an der Scheibe rauscht ganz leise zu uns her. Schneetreiben draußen, kein Treibsand mehr. Das Bizzeln – ich höre es nicht mehr.
Doch fühle ich es tiefer, das Kribbeln jetzt, und eine Daune streicht vorbei, sie wirbelt auf im Luftzug deiner Hände. Wir vertreiben es, treiben aus, das Winterwetter zwischen uns – hinaus.
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2012