Spuren im Schneestaub

Es hat ein wenig geschneit heut Nacht, gerade so viel, dass die Wege wie von Puderzucker bestäubt sind. Zurückgekehrt von einem frühen Spaziergang wandern meine Gedanken wieder hinaus in die Wälder, auf der Suche nach einer Antwort: Wer oder was hat all die zahlreichen Spuren hinterlassen, die ich sah? 

Mir war ja bewusst, dass es allerhand Leben gibt dort draußen, aber dass derart viel Getier unterwegs ist, hat mich denn doch überrascht.

Und eine der Spuren war, so finde ich, doch etwas außergewöhnlich, auch weil sie definitiv keines der Waldtiere hinterließ. Einzeln, im Abstand von vielleicht einem halben Meter immer wieder neu eingeprägt, führte sie neben vielen Tierspuren den Weg hinan. 

Nicht sehr groß waren die einzelnen Abdrücke, nur eine Handspanne lang, aber von ungewöhnlicher Form. Länglich, mit Rundungen vorn und hinten, gleich einer Kartusche mit Hieroglyphen auf alten ägyptischen Handschriften. Die innen liegenden Zeichen aber bestanden hier aus Kreisen und einer von oben bis unten reichenden Wellenlinie.

Diese Spur erinnert mich an etwas, das einmal für Furore sorgte: der erste Fußabdruck eines Menschen auf dem Mond! Die äußere Form ist die gleiche, nur das Innenleben wirkt lebendiger. 

Moment mal – das hieße ja, ein Sternenkind wäre hier gegangen! Ein Lebewesen von einem anderen Planeten, einer fernen Welt irgendwo da draußen, Lichtjahre entfernt, wäre in Raum und Zeit unterwegs … und ausgerechnet bei uns gelandet?

Ach Quatsch! Ein Menschenkind war´s, na klar! Kleine Winterstiefel eines vierjährigen Kindes. 

Aber nein – das kann auch nicht sein, denn niemand ließe ein so kleines Kind so tief im Wald allein und Spuren eines Erwachsenen waren weit und breit nicht zu finden. Ich war die Erste heute Morgen auf dem ansonsten von menschlichen Füßen unberührten Schnee. 

Ich wünschte, ich könnte die seltsamen Abdrücke weiter verfolgen, aber sie verschwanden ebenso plötzlich wie sie aufgetaucht waren: Mitten auf dem Weg gab es einen Letzten und dann – keinen mehr, nirgends, so sehr ich auch Ausschau hielt. Aber er hinterließ einen bleibenden Eindruck und offene Fragen.

Diese Kreise … sie könnten Planeten darstellen. Und die Schlangenlinie eine gewundene Reiseroute. Daeniken lässt grüßen und heute grüße ich fingerschnipsend zurück!

Jemand sagte mir einmal: Wenn wir das Unmögliche für möglich halten, eröffnen sich uns ganz neue Welten! 

Und hat man nicht vor knapp einhundert Jahren noch jeden für verrückt erklärt, der von Spuren eines Menschen auf dem Mond erzählte? Doch es wird wahr werden, wenn die Zeit reif dafür ist. Oder auch nicht – was wissen wir schon?

Es schneit wieder, diesmal anhaltend. Bald werden die Spuren auf Nimmerwiedersehen verweht sein. Irgendwie schade, finde ich jetzt, offenbar hat sie nur ein einziger Mensch gesehen. Aber wer glaubt schon einem Einzelnen? Vielleicht ist auch die Zeit einfach noch nicht reif dafür …

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2010