Inspirierte Landschaftsmalerei

Aus den Annalen der Lady Anne Jennifer Glenwillow, 1723 – 1754

Muse des schottischen Malers Lord Hamish MacIntosh* und seine Gefährtin bis zu ihrem frühen Tod

Briefe aus dem Sommer 1752, Crencester Forest, Hampshire, Südengland

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Liebster und teurer Freund, Mylord!

Seid herzlich bedankt für Eure heute eingetroffene Postille, die mich in meiner Verbannung erreichte, welche mir hier allseits jedoch freundlichst als Urlaub bedeutet wurde, um meinen angegriffenen Nervenzustand zu rekonvaleszieren. 

So erreichten mich ein wenig Freude und Verbundenheit eines mir wohlgesonnenen Menschen mittels Eurer freizügigen und aufrichtigen Worte, derer ich hier bitter bedarf!

Bevor ich Euch Auskunft über mein sonstiges Befinden in einer nächsten Sendung gebe, verzeiht meinen Vorwitz und eine neuerliche Schamlosigkeit, aber ich möchte Euch etwas sehr Delikates anvertrauen. Ihr seid der Einzige, dessen Lebenswandel mich vermuten lässt, dass Ihr Verständnis für mich aufbringt und ich habe das Empfinden, Ihr solltet vorerst von Folgendem Mitteilung erhalten, vielleicht könnt Ihr als schottischer Landsmann zur Erklärung Entscheidendes beitragen?

In diesen Tagen, welche mir weit mehr als üblich Zeit für mich belassen, erweist sich eben dieser Umstand als erstaunlich förderlich für meine wiederholt ausufernde Fantasie. Vielleicht liegt es an der derzeitigen Hitzewelle, die das Land darnieder hält, aber was hätte ich Vernünftigeres tun können, als mich mittags zur Ruhe zu begeben? Doch lest selbst, was über mich kam – ich schlief alsbald ein und wusste mich urplötzlich in einem unerwartet beeindruckenden, fast lebensecht wirkenden Traum. Freilich, nur ein Traumgespinst meiner angegriffenen Seele – dennoch brannte es sich unerwartet klar und detailgetreu in mein Gedächtnis ein:

***

Fand ich mich doch wieder, irgendwo in diesem ländlichen Nirgendwo, umgeben von Wald und Wiesen, ähnlich jenen, die das Anwesen hier umschreiben. Das jedenfalls vermittelte mir der deutlich wahrnehmbare Duft der von ringsum auf mich eindrang und eben jetzt nahm ich wahr, dass ich mich wie blind fühlte, so, als wären meine Augen verdeckt durch etwas, das wir bei Hofe zu Maskenbällen zu tragen pflegen. Lediglich ein silbernebliges Leuchten nahm ich noch durch sie wahr. 

Warme Sommerluft strich dort über meine Haut, wo meine Garderobe, sich als mein Nachtgewand herausstellend, etwas von ihr frei ließ – an meinen Schultern und um die Füße herum – und meine Arme fand ich, an ihnen hinunter tastend, geschmückt mit einigen der langen seidigen Bänder, wie sie hier gerade zu tragen in Mode kommen.

Wo war ich? Und wie kam ich hierher?

Da lag auch noch ein feiner, würziger Duft von Tabak und Single Malt vermischt mit dem von neuem Leder und einer Substanz, die unsere Kunstmaler benützen, in der Luft. Und als plötzlich Schritte nahten, wich ich ob meiner Blindheit nach rückwärts aus, bis ein gar mächtiger Baumstamm meinen Rückzug aufhielt.

Schon hörte ich ein Raunen: »Mylady, Mylady, so wartet doch!«

Dann waren da noch weitere Schritte, oder nein, eher ein Tapsen, und plötzlich strich etwas Weiches, Felliges um meine Beine bis zum Knie hinauf, ein feuchter Stupser erreichte meine Schenkel, ein leises Knurren, dann entschwand diese Erscheinung wieder.

Da waren unvermutet Hände, mein Gesicht zärtlich umfassend, eine bärtige Wange legte sich an die meine und ein Mund begann, mir Küsse aufzuhauchen. Als aber meine Hand hochfuhr, das Unbekannte zu fassen, griff sie ins Leere! Ein leises Lachen hörte ich nahe neben mir und eine Stimme, die flüsternd meinte: »Mylady, erkennt Ihr mich nicht?« – »So sagt mir doch, wer Ihr seid, Mann! Mein Blick ist getrübt, noch kann ich Euch nicht erkennen.« erwiderte ich zitternd, mein Ohr in die Richtung der Laute wendend. 

Mylord – teurer und verschwiegener Freund, könnt Ihr Euch meine Aufregung nur im Entferntesten vorstellen?

»Dann lernt, mich ohne Eure Augen zu sehen – fühlt, wer ich sein könnte!« sprach´s schmeichelnd – eine wahrlich männliche Stimme, voll warmen, freundlichen Klanges, als könnte sie mich längst schon kennen.

Meine Hand wurde hinaufgehoben und geführt zu etwas, das sich anfühlte wie ein Lederwams und durch die anscheinend offenstehende Mitte auf bloße Haut geschoben, unter der ich einen aufgeregten Herzschlag wahrnahm. Dann verband sich seine Hand mit meiner Haut an ebendiesem Ort an mir, sodass mein Herz darunter noch ergriffener zu schlagen begann, denn all das, so fremd es mir auch war, fühlte sich überraschend gut an. Ich gestehe – viel zu gut. 

Und da ich mich nicht wehrte, nicht wehren konnte oder wollte – weiß der Himmel, strich die Hand zur Seite und schob den leichten Ärmel des Kleides von meiner bloßen Schulter und strich weiter zur anderen, um dort selbiges zu tun.

So sank das Leinen herab, nur um meine Mitte herum von einem breiten Schnürgurt gerade noch aufgehalten. Ein Mund umschloss die Höhe meines bloßen Busens herzseits, eine Hand nahm sich der anderen Seite liebkosend an. Welch köstliches Gefühl begann sich meiner zu bemächtigen! Ein leichtes Saugen ließ kleine Hügel entstehen, deren Feuchte sich kühl anfühlte, als der kräftige Mund von ihnen abließ und ein sehnendes Ziehen schoss von dort hinab in meinen Schoß.

»Herr, was fällt Euch ein? Und wer seid Ihr? Was tut Ihr mir?« brach es aus mir heraus.

»Still – so spürt doch hin!« sagte die leise, nun schon seltsam vertraute Stimme, »Ihr genießt es, nicht wahr, Mylady?«. Und da mir Lügen stets zuwider waren, konnte ich auch jetzt nicht leugnen, dass mir das, was mir da gerade geschah, unvermuteten Genuss bereitete. Ich hätte davon eilen können – allein, etwas hielt mich hier gebannt. Es waren wohl die aufsteigenden wundervollen Gefühle der plötzlich einsetzenden, so lange im Zaum gehaltenen Lust, die mir zu bleiben befahlen.

Ein Arm umfasste fest meine Mitte und zog mich an diesen Mann, der, wohl um einiges größer als ich, mich jetzt auf den offenen Mund küsste und dann mit der anderen Hand den Stoff über meinem Schenkel raffte und, jenen darunter umfassend, mit leichtem Nachdruck aufforderte, sich zu erheben, sich um seine Mitte zu schlingen. 

Mylord – ich KONNTE unmöglich widerstehen! 

So gelang es dieser Hand, weiter unter mein Gewand zu wandern und meine Rückseite zu umfassen, fest die Rundungen zu ertasten und dort, wo beide zusammentraten, in kurzer trügerischer Ruhe zu verweilen. 

Nun zog er mich fester an sich und die rückwärtige Hand unterstützte dieses Vorhaben gar trefflich nachdrücklich bis mein Leib den seinen eng berührte und ich in der unteren Mitte etwas Hügeliges an diesem Mann zu spüren bekam, dessen unwillkürliche Deutung mir die Hitze ins Gesicht steigen und Feuchtigkeit in meiner Mitte folgen ließ. 

Als hätte er solches wohl geahnt, wanderte seine Hand umgehend zwischen uns, erst dieser meiner Feuchte entgegen, und nachdem er sich der Willigkeit meines an ihn gehaltenen Leibes versichert hatte, nestelte er an etwas, das, sich öffnend, den Druck auf meinen geheimsten Ort noch verstärkte.

Keiner Worte mehr mächtig, ließ ich zu, dass er mich an den Stamm, vor dem wir standen, lehnte und sogleich weitere Küsse folgen ließ, gleich einer Perlenschnur meinen Hals entlang hinab zu meinem Herzen, das er somit fast außer Gefecht setzte und alle noch etwa vorhandene Zurückhaltung zunichte machte. Oh, himmlische Empfindung, doch ob er Engel oder Dämon war, wusste ich nicht mehr zu unterscheiden.

Da ich ihm jetzt fast in die Arme sank, umfasste er meine Mitte, hob mich etwas an, bedeutete meinem anderen Schenkel, sich ebenfalls um ihn zu schlingen, was seltsam leicht vonstatten ging. Das Kraftvolle seiner Mitte fand ohne Umwege zu mir, und in mich eindringend entrang sich ein langer, rauer Seufzer meiner rückwärtig gebogenen Kehle.

»Mylady« murmelte er an meiner Brust, »Mylady – erkennt Ihr mich noch immer nicht?« 

Doch auch jetzt konnte ich nur verneinend meinen Kopf bewegen, und doch war mir, als wüsste ich längst um all dieses und es schien so vertraut, als hätte ich es schon oft genau so und mit diesem seltsam vertrauten Fremden erlebt. Die Hitze des Tages war jetzt überdeutlich zu spüren – oder ging sie von unseren Leibern aus? 

Wie dem auch sei … Mylord, könnt Ihr mir folgen?

Jetzt griff er von hinten in mein Haar und bog mein Haupt zu sich, sodass seine geschickte Zunge meine Lippen berühren konnte und allzu bereitwillig öffnete ich den Mund. Meine Lippen taten das, was jene anderen längst dabei waren auszukosten – umschließen, was in sie eindrang und so trank ich seinen heißen Kuss, ihn zwiefach erlebend, im Oben und Unten, in Himmel und Hölle zugleich. Meine Arme kamen ihm unaufgefordert zu Hilfe und schlangen sich um seine breiten Schultern.

Unser Atem floss schneller, als er sich kräftiger in mir zu bewegen entschloss und glutrote Lust begann meinen Körper zu durchströmen und alles Nebelgrau färbte sich in ebendieses Glutrot, sich alsbald wandelnd in Blutrot. 

Ein Gedanke: Wie kann der Himmel, in dem ich bin, so rot sein? – irrte durch meinen Kopf. Im Gleichklang unseres Atems, stieß dieser Mann in mich, wieder und wieder, heftig schon und dann noch heftiger und ich hielt mich wohl an seinem Lederkleid, Halt suchend, endlich genießend, was mit mir geschah und wünschend, bis in alle Ewigkeit so gehalten zu werden.

Umnebelt und immer lustvoller ihn an mich ziehend gelangten wir in feurige Höhen, die ihren Gipfel, einem Vulkanausbruch gleich, in einem langen gemeinsamen Schrei fanden. Und immer noch zu schnell atmend, hielten wir uns umfangen, lange Zeit. 

Erst als der Feuerstrom endlich versiegte, begannen sich unsere Glieder voneinander zu lösen. 

Meine Beine wurden behutsam herabgelassen und fanden, wankend noch, Halt auf weichem Boden. An den Baum gelehnt stand ich und wurde in eine befremdlich leere Freiheit entlassen, seine Hände lösten sich, ein letzter gehauchter Kuss senkte sich auf meinen Handrücken, es nestelte an meinem Handgelenk, etwas Weiches schlang sich darum, ein leises Rascheln im Gras – und fort war er.

Jetzt endlich gaben meine Knie nach und ich sank zu Boden. Ein Summen in meiner Mitte blieb und sein Saft, der mir die Beine hinab rann, wurde zur köstlichen Erinnerung an eben Geschehenes, das schon begann, flüchtig und unwirklich zu werden. Doch noch spürte ich seine Hände auf mir, noch nahm ich dieses süße Ziehen in meiner Tiefe wahr.

Und langsam klarten meine Augen auf. Aus dem blutroten Nebel traten Bäume hervor, Blutbuchen, und Wiesen unweit des Waldrandes sandten ihr grüngoldenes mittägliches Licht zu mir. So saß ich noch lange, versunken in das, was eben über mich gekommen war, so süß, so köstlich, so heftig, so …

Mein Blick fiel, an mir hinuntergleitend, auf meine bändergeschmückten Arme. Jedes einzelne trug eine jeweils andere Farbe des Regenbogens, nur ein einziges an einem Handgelenk war seltsamerweise in einem schottenähnlichen Karo gewebt, das mehrere Farben und vor allem rot aufwies. Als ich dessen gewahr wurde und sacht darüber strich, vermeinte ich im Raunen der Buchenblätter über mir ein vielfach geflüstertes Danke zu hören.

Leise klang noch aus der Ferne das Heulen eines wilden Tieres zu mir. Es mag wohl ein Wolf gewesen sein. 

Und auch ich sandte ihm ein leises, inniges Danke.

***

Nun, Mylord, ich hoffe, Euch nicht über die Maßen schockiert zu haben und Ihr konntet die Lektüre ohne Unterbrechung zu Ende führen! 

Was meint Ihr zu derlei Träumen? Und könnt Ihr etwas zur Lösung der Identität jenes bemerkenswerten Unbekannten beitragen, derweil Ihr Schotte seid und einiges dafür spricht, dass ich von einem ebensolchen heimgesucht wurde?

Aber eigentlich ist es auch damit getan, Mylord, dass Euch dieser Traum vielleicht ebenso gefallen könnte, wie mir und Ihr einiges Vergnügen daran hättet – Lebemann der Ihr seid.

So will ich mich jetzt verabschieden von Euch für den heutigen Tag und meine Korrespondenz morgen fortsetzen. Und vielleicht, wer weiß, begegnet Ihr ja in euren nächtlichen Träumen jenem Weib und tut es dem Fremden gleich? Ich wünsche Euch gutes Gelingen und weiß sicher, es würde Euch gar wohl gefallen und Ihr würdet Euren Mann stehen. 

Nun hoffe ich auf eine alsbaldige Antwort Euerseits, Mylord, und verbleibe mit 

vorzüglichem Gruß

Lady Genevieve, die Eure in herzlicher Verbundenheit

Manor House, Crencester Forest, Hampshire

27. Julei 1852

*Viele Bilder des seinerzeit recht unbekannten Lord H. MacIntoshs galten lange Zeit als verschollen. Als eine geringe Anzahl 1879 im Nachlass der Erben Lady A. J. Glenwillows gefunden wurde, waren diese Bilder, deren wildromantische Motive der damaligen Mode entsprechend gefielen, bereits so begehrt, dass sie beträchtliche Summen auf Kunstauktionen erzielten.

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2011