Spuren im Schneestaub

Es hat ein wenig geschneit heut Nacht, gerade so viel, dass die Wege wie von Puderzucker bestäubt sind. Zurückgekehrt von einem frühen Spaziergang wandern meine Gedanken wieder hinaus in die Wälder, auf der Suche nach einer Antwort: Wer oder was hat all die zahlreichen Spuren hinterlassen, die ich sah?  Mir war ja bewusst, dass es …
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Wenn ich draußen bin

Von Zeit zu Zeit zieht es mich hinaus. Wenn mir das Stadtbunte und Arbeitslaute, die Menschenenge und Straßenschnelle zu viel wird, dann zieht es mich weg. Auf den Weg. Weg vom Denken hin zum Fühlen und auch das sagt: Geh! Hin! Aus dem Haus! Pack die Tasche, schnür die Schuhe. Lauf! Wenn ich nach draußen will, …
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Das blaue Leuchten

Seine Finger bewegen sich flink und die Schwielen an den Händen hindern ihn nicht, fein und genau zu arbeiten. Geschickt umwickelt Madaram mit einer Sehne das Speerende und befestigt so die himmelblauen Federn, damit die Luftwesen dessen Flug ins Jagdziel wohlwollend begleiten können. Das Ende der Sehne fest in der Hand haltend, schnippt Madaram einige …
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Dreieinigkeit

Fast zeitgleich seid ihr in mein Leben getreten. Nur wenige Wochen nacheinander. Noch war ich Feuer und Flamme durch dich, der du den Bergen gleichst. Den schneebedeckten Gipfeln in deiner Kühle genau so, wie den feuerspeienden Vulkanen, wenn du aus dir heraus gehst.  War mit dir auf jedem von ihnen, stand oben im Wind hinter …
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Waldleben Wiesenbeben

An mir hinuntersehend erscheine ich. Von den bloßen Füßen wachse ich hinauf ins Sein. Wechsele von unsichtbar über durchscheinend in handfeste Gewissheit, vermeine zu spüren, wie mein Blut beginnt zu kreisen, langsam erst, dann stetig.  Mein Blick gleitet aufwärts über sich färbende Haut. Vertraute Festigkeit erfährt mein Inneres. Die Schultern erstarken den Hals stützend und …
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Vom Nebel und der Krähe

Vor langer Zeit, als es noch weniger Menschen und dafür um so mehr Tiere gab, geschah es, dass sich eine Krähe in einen Reiher verliebte. Nicht, dass sie unter ihresgleichen nicht einen passenden Gefährten gefunden hätte – die Auswahl war geradezu unerschöpflich – und sie hatte auch nicht nach dem ganz Besonderen gesucht, das liegt …
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Fadenscheinig

Wenn er in Muße hier draußen sitzt, schweifen seine Blicke auch immer mal zu den Fähnchen über ihm. Vor zwei Sommern hat er sie aufgehängt, die kleine Leine mit tibetischen Gebetsfahnen am Dach befestigt. Nicht, dass er Buddhist wäre. Auch weiß er die aufgedruckten Gebete und Symbole nicht zu deuten, aber das bunte Flattern dieser …
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Blutbuche & Windsbraut

Wind, was fragst du mich immer wieder? Welche Antwort erhoffst du dir dieses Mal? Mond, warum klagst du mich an? Du weißt, es geschieht in den Nächten, in denen du dein Antlitz vor der Welt verbirgst und auch Sonne auf der anderen Seite weilt. Das Licht der Sterne reicht hin, zu sehen was sie tun. …
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Sonnenblau

Dieser endlose Sommer. Endlos sonnige Tage, denen kurze milde Nächte folgen. Und wieder geht ein Tag zur Neige. Eine Handbreit überm Horizont gleißt die Sommersonne, verströmt sich vor zartem Himmelblau. Einen schattenspendenden Arm an der Stirn, schaue ich ins flirrende Licht des Tales, das sich weithin unter mir ausbreitet: Diesige Luft lässt die grünen Höhenzüge …
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September

Es will nicht so recht hell werden, heute, an diesem frühen Morgen. Die Nacht ist zögerlich gegangen, schon ist es gegen acht. Tief schwebt der Himmel, ist so dicht verhangen mit nebelgrauem Tuch. Das Dämmerlicht jedoch beweist, es gibt die Sonne noch! Nur weit, weit weg von hier.  Kühle setzt sich fest in meinen Kleidern. …
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KLEEne Wunschlektion

»Da kommt sie wieder!« rief Petula. »Wer? Wo?« fragte Mimula. »Na hör doch mal hin –  das kann niemand anders sein als unsere Sucherin. Mmh, die war ja lange nicht hier.« Mimula, lang und hager wie Spitzwegerich, flüsterte: »Oh ja, du hast Recht, ich höre es: Drei-drei-drei … wie immer!«  »Siehste,« sagte Petula, drall und …
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Das Seine

Mühsam stützt er sich auf dem Waschbeckenrand ab. Wo ist nur seine Kraft geblieben? Er ist erst Ende dreißig – und doch, als er seinen Blick zum Spiegel hebt, schaut ihn ein alten Mann an: Zerknittertes Gesicht, rotgeränderte Augen, verkniffener Mund, hohle Wangen, graue Bartstoppeln, zerwühltes strähniges Haar. Joachim richtet langsam sein müdes Kreuz auf, …
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Rundreise

Meine Aufmerksamkeit ziehst du auf dich, als ein sommerlicher Lichtstrahl dich streift. Unschuldig siehst du mich an, so, als würdest du auf die Sonne deuten: Sie war es, ich kann gar nichts dafür! Schon lange ruhst du dort, von mir vergessen, irgendwann. Nun aber leuchtest du, glühst plötzlich auf, mit so warmem Schein, dass dein …
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Inspirierte Landschaftsmalerei

Aus den Annalen der Lady Anne Jennifer Glenwillow, 1723 – 1754 Muse des schottischen Malers Lord Hamish MacIntosh* und seine Gefährtin bis zu ihrem frühen Tod Briefe aus dem Sommer 1752, Crencester Forest, Hampshire, Südengland *** Liebster und teurer Freund, Mylord! Seid herzlich bedankt für Eure heute eingetroffene Postille, die mich in meiner Verbannung erreichte, …
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