KLEEne Wunschlektion

»Da kommt sie wieder!« rief Petula. »Wer? Wo?« fragte Mimula. »Na hör doch mal hin –  das kann niemand anders sein als unsere Sucherin. Mmh, die war ja lange nicht hier.« Mimula, lang und hager wie Spitzwegerich, flüsterte: »Oh ja, du hast Recht, ich höre es: Drei-drei-drei … wie immer!« 

»Siehste,« sagte Petula, drall und rund wie Breitwegerich, »sie hat es anscheinend immer noch nicht kapiert!« Beide schüttelten ihre Köpfchen und machten dann um besser sehen zu können einen Luftsprung, Mimula zierlich und behände, Petula etwas plump und linkisch.

»Du, Mimula, hör ich jetzt richtig? Hab ich da eben ein vier-vier-vier vernommen? Wenn sie in ihren Gedanken nicht immer so durcheinander wäre, könnten wir sie viel besser verstehen.« Mimula streckte vorsichtig ihr Köpfchen aus der Wiese und schaute die riesige Gestalt an, die da langsam am Wegrain entlang spazierte. Tatsächlich, es klang jetzt wie vier-vier-vier.

Die beiden wussten ganz genau, was das Wesen suchte, denn sie hatten einmal miterlebt, wie es sich vor lauter Freude über ihren gewünschten Fund rittlings auf die Wiese hat fallen lassen. Beinahe hätte es sie beide dabei erwischt, dann wären sie platt gewesen wie die Abziehbildchen in den Büchern der Menschenkinder.

»Also«, meinte Petula großzügig, »wenn sie jetzt kapiert hat, dass sie in Gedanken nach dem rufen sollte was sie sucht und nicht nur nach dem, was sie ohnehin vor sich sieht, dann könnten wir ihr doch eins zukommen lassen, oder?« »Meinst du wirklich, sie hat begriffen, dass sie mit ihren Gedanken das erschaffen kann, was sie sucht?« Mimula kratzte sich nachdenklich an ihrer spitzen Nase, stupste dann plötzlich auf Petulas rundliche und ein breites Grinsen huschte über ihr Gesicht. Aufmerksam sah sie nun ihre Gefährtin an und richtig, da kam er schon: Ein dicker, sprühender, schwingender Elfennieser!

»Pschühühü!« wisperte es in der Wiese. Mimula hatte gerade noch rechtzeitig bevor der Elfenstaub in alle Winde verflog Petulas kleine Knollennase auf das nächste Kleebüschel gedrückt. Nun warteten sie gespannt und ganz dicht an die Pflänzchen gerückt, ob wieder funktionieren würde, was sie vor vielen Sommern einmal herausgefunden hatten. Ja, da kam es hervor: Hauchzart und hellgrün wuchs vor ihren staunenden Augen ein neues Blättchen aus dem Klee. 

»Wowowow!« kam es andächtig von Petulas Lippen und ein zackiges »Yeah!« folgte von Mimulas. »Eins-zwei-drei-vier! VIER! Yeah, Petula, wie du das auch immer machst, es hat wieder hingehauen! Der alte Wiesengrünfaun würde gelb vor Neid, wenn er wüsste, was du ihm da abgeschaut hast!«

Ein lautes «ENDLICH!« erscholl plötzlich neben ihnen und etwas Großes verdeckte die Sonne. Verschreckt stoben Mimula und Petula in verschiedene Richtungen davon.

Sie vernahmen noch, wie das große Wesen sich innerlich freute und nun voll des Dankes war über das so selten zu findende und überaus glücksbringende Geschenk des Wiesengrünfauns, das es eben erblickt und vorsichtig gepflückt hatte.

»Wasfüreineungerechtigkeit« zeterte Mimula und Petula stimmte ein: »Vollrechthastevoll. Immer sahnen die Großen die Lorbeeren ab, dabei haben wir das geschaffen, wir sind die Macher, wir haben kreiert, wir haben wachsen lassen, wir …«

»Wart mal, wart mal,« Mimula zupfte Petula ungeduldig am Flügel, »die sagt noch was! Hör mal …«

Leise klang ein kleines Dankgebet an ihre Ohren: » … und ich danke allen Wiesengeistern, allen Feen und Elfen, dass sie mich lehrten, dass Gedanken Wirklichkeit erschaffen können. Als ich nur alle auftauchenden Dreiblättrigen in Gedanken abzählte, wollte sich kein Vierblättriges zeigen. Erst als ich begriff, dass ich das was ich suche benennen muss, geschah das kleine Wunder …«

»OK, na gut,« murmelte Petula schon fast versöhnt und ihr rundes Elfennäschen in die Höhe reckend, »Hauptsache, sie hat´s jetzt geschnallt, wie das läuft mit dem Wünschen und Suchen und Finden! 

Aber Mimula, echt jetzt,« und Petula betastete sorgenvoll ihre kleine knollige Nase, »wenn sie nächstes Mal fünf-fünf-fünf ruft, du, ich weiß nicht wie wir das hinkriegen sollen – so einen Riesennieser schaff ich wirklich nicht!«

***

2010