Igloo

Mit nassen Handschuhen scharren, zusammenbacken, klopfen. Umfassen, schieben, hochheben. Schwitzen. 

Die ganze Welt ist knietief weiß, kalt und heiß. Ist zugedeckt das Fremde. Das Blut rauscht in den Ohren, dämpft alle weiteren Geräusche. Ich höre sie nicht rufen.

Weiter, weiter. Noch ein Brocken drauf. Kugel rollen, vor mir her. Jeder schiebende Schritt lässt sie wachsen. Zu schwer. Liegenlassen müssen. Fußtritt. Nochmal, die Arme brennen, einsehen. Und ablassen.

Von vorn beginnen, rollen, drüberfallen, aufrappeln, schieben. Bis an den Wall heran. Draufheben. Noch einen. Und noch einen. Immer noch einen umarmten Klumpen. Loslassen. Zurücktreten. Schnaufen. Handschuhe runterreißen. Die eisigen Finger an meine heiße Wangen legen. Geschafft! Fertig! Fix und fertig. Auf die Knie und kopfüber hinein.

Da ruft sie wieder, doch ich will nicht hören. Stürze mich hinein, in meine eigene Welt. Mein neues Zuhause ganz in weiß. So licht und hell und freundlich. Unschuldig. Wie ich.

Innen kratzen, scharren, zuschieben. Geborgen. 

Salziges von der Nasenspitze lecken. Der Schnee im Mund schmeckt süß. Auf dem Rücken liegen und ins unendlich Weite starren. Lichtweiße Unendlichkeit. Vergessen das Dunkle, das Schreien. Den Schimpf und die Schande.

Erleichterung für eine endlich lange Zeit. Erlösende Kühle aus Schnee auf brennenden Augen spüren. Kälte dämpft den Schmerz in mir, überall und ganz und gar. Gar nicht mehr weg wollen. Bleiben, für immer. 

Atmen, Wolken aus grauem Licht. Tanzender Nebel, nur ohne Wald, nur ohne Tiere.

Einschlafen wollen. Einschlafen können, endlich, endlos. Nicht einschlafen dürfen: Sie ruft nach mir. Ganz nah. Die anderen auch. 

Nicht finden lassen, das Findelkind. Das sieben Winter kleine. Der Kälte ofenwarmer Zimmer entkommen. Der Schnitte scharfer Worte entflohen. Der Härte lächelnd falscher Augen ausgewichen.

Ich höre sie kommen. Sie kratzen, sie scharren. Herzschlag bis zum Hals. Dröhnender Schrecken ist in mir, macht kalt was der Schnee eben noch so warm hielt. Zähneklappern, fürchterlich vor Furcht.

Sie brechen ein. Immer weiter, immer wieder. Packen an. Ziehen mich mit den Füßen voran hinaus aus meiner warmen Zwischenwelt, der Minutenheimat. Ich muss zurück, gewaltsam, und mein letzter Blick taucht in den Salzsee auf dem Boden meines Igloos im Hof hinter dem Wohnblock in der großen lauten Stadt mit zu viel Fremdem.

Dorfkind ich – hab keine Heimat mehr.

***

2012