Sommerpause

Eigentlich ist schönes Wetter. Eigentlich ist Sommer. Diese helle Jahreszeit, auf die ich so sehr warte, die ich Monate vorher schon an den Fingern abzähle. Deren Licht mir den Winter über fehlt, ebenso wie ihre Wärme und die Farbe Grün.

Eigentlich mag ich jede Jahreszeit, jede hat etwas ganz eigenes, was keine der anderen zu schenken hat. Aber auf diese hoffe ich am meisten.

Und nun finde ich mich wieder, mitten im Sommer, und mag nicht hinaus. Nicht hinein und nicht hinaus. So sitze ich auf der Terrasse, die schattige Markise über mir, fast drinnen, fast draußen. Grüne Hecken umschließen mich. Gerade die frische Luft erreicht mich noch. Ich sehe und höre den Wind in den Bäumen, die Leichtigkeit in der Bewegung der Blätter und mag mich nicht bewegen. 

Ich sehe durch Zweige hindurch die Wolkenberge wandern, das Weiß und Grau und Himmelblau. Wandern jetzt – will ich nicht. Ich sitze und schaue, ganz still. Denke zurück an den Winter, die Dunkelheit und Kälte, und versuche mir vorzustellen, wie es wäre, jetzt hinter dem Horizont zu sein und zu laufen, durch die Wiesen, durch das Licht. Es ist, als würde allein die Erinnerung daran ausreichen, es nicht zu tun, nicht zu müssen, nur, weil jetzt gerade die Gelegenheit dazu wäre. 

Keine Termine, keine Verabredungen, niemanden sehen. Nichts tun, im Sommer, wenn alle Welt unterwegs ist.

Ich lese, sinniere, lasse die Gedanken schweifen und die Stunden gehen dahin. Vorgestern, gestern, heute und wohl auch morgen noch. Hin und wieder taucht ein Vielleicht-sollte-ich auf. Ich lasse es verstreichen, es bleibt beim Sollte-vielleicht. Manchmal versuche ich, mich mit einem Ich-könnte-ja zu motivieren, aber eine Stimme in mir sagt leise: nicht. Ich akzeptiere sie. Und fühle mich wohl damit. 

Ein stilles Bedauern ist in mir, weil ich weiß, dass ich mich im nächsten Winter wieder fragen werde, warum ich nicht dort war, im Sommerwind, im Sonnenlicht und in der Wärme, nochmal und nochmal, so oft, dass es auch für den kommenden Winter noch reicht. Ich weiß es nicht, nur, dass ich jetzt hier sein möchte, die Welt nicht sehen will und ungesehen von der Welt bei mir bin. Den Restwinter in mir fühle, wie er sich mit dem Nochsommer verbindet und mich still sein lässt. Diese Art Ruhe, die nirgendwohin will. Die kein Dort braucht, weil alles hier ist und jetzt.

Es ist jedes Jahr das Gleiche und schon immer so gewesen: Im Winter die Sehnsucht nach Sommer. Und im Sommer das Wissen, dass er mir im Winter fehlen wird. Aber es ist in Ordnung. So bleibt die Hoffnung auf Veränderung, auf Anderes spüren, auf Anderssein. Das Auf und Ab, das mich lebendig hält.

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2017